„Ich brauche viel Zeit und Unterstützung“

Der Übergang in eine Krippe oder Tagespflegestelle ist eine besonders kritische Phase im Leben eins Kleinkindes.

kleines kind ist traurig

Ein Beitrag von Monika Thier

Der Übergang aus der Familie in die noch unbekannte Tagespflegestelle oder Kindertagesstätte bedeutet für jedes Kind eine große Herausforderung für seine Fähigkeiten, sich an neue Umgebungen anzupassen und Beziehungen zu fremden Personen aufzubauen.

Während der ersten Zeit in der Kindertagesstätte oder Tagespflegestelle ist das Kind mit unbekannten Räumen, fremden Erwachsenen und anderen Kindern konfrontiert. Es muss sich an neue Situationen, einen veränderten Tagesablauf und an die täglich mehrstündige Trennung von den Eltern gewöhnen.

Diese Veränderungen fordern dem Kleinkind Lern- und Anpassungsleistungen ab, die auch für ältere Kinder mit erheblichem Stress verbunden sein können. Zwar sind auch sehr kleine Kinder durchaus in der Lage, sich an eine neue Umgebung oder Situation anzupassen, trotzdem:

Babies und Kleinkinder die zwischen dem 7. und 24. Lebensmonat eingewöhnt werden, brauchen eine besondere Unterstützung der Eltern und Pädagogen, um diesen großen Schritt zu bewältigen. 

Wichtig in diesem Zusammenhang der Schlüssel der Betreuung. Der Betreuungsschlüssel für eine gute Kleinkindbetreuung, in welcher Form auch immer, liegt bei 1:4. Auf eine Pädagogin/Tagesmutter kommen 4 Kinder im Kleinkindalter bis 24 Monate. Viele Tagesmütter können diesem Betreuungsschlüssel gerecht werden. Für die Krippenbetreuung ist dieser Betreuungsschlüssel, bei zum Teil sehr hohen Beitragskosten (private Krippen), nicht realisierbar.


Warum ist eine sorgfältige Eingewöhnung nötig?
Die Eingewöhnung ist die Basis für einen gute „Zusammenarbeit“ von Eltern und Pädagogen.

  • Kleinkinder brauchen eine Bindungsperson als „sichere Basis“ um die neue Umgebung kennen zu lernen
  • Gut eingewöhnte Kleinkinder und Babies werden laut Studien seltener krank.
  • Für Eltern und Pädagogen hat eine langsamere Eingewöhnung den Vorteil, dass auch sie sich besser kennenlernen und vertrauen können.

Dauer der Eingewöhnung

Die Eingewöhnung dauert im Kleinkindalter mindestens 4 Wochen. Ratsam ist etwas Puffer einzuplanen falls das Kind doch länger braucht oder zwischendurch krank wird. Die Eingewöhnung ist abgeschlossen, wenn das Kind eine gute Bindung zur neuen Bezugsperson aufgebaut hat. Dies kann bei einer Tagesmutter auch in einer kürzeren Zeit bewältigt werden (2 – 3 Wochen).

Regeln für die Eingewöhnung

  • In den ersten drei Tagen soll keine Trennung stattfinden. Mutter und Kind kommen 1 – 2 Stunden in die Krippe oder zur Tagesmutter, zu einem Zeitpunkt wo das Kind satt und ausgeschlafen ist.
  • Die erste Trennung sollte ca. eine halbe Stunde dauern.
  • Die Mutter verabschiedet sich von ihrem Kind wenn sie geht und sagt ihm, wann sie wieder kommen wird. Sie hält die Zeit, die sie wegbleiben wird, zuverlässig ein.
  • Ein immer gleiches „Übergangsobjekt“ (Kuscheltier, Tuch, das nach der Mutter riecht, Puppe usw.) erleichtert dem Kind die Trennung von der Mutter.
  • Der Abschied sollte nicht unnötig in die Länge gezogen werden.
  • Die Abwesenheit des Elternteils darf nun täglich gesteigert werden, bis ein ganzer Vormittag erreicht ist.
  • Danach kann das Mittagessen eingeführt werden und anschließend der Mittagsschlaf in der Krippe bzw. in der Tagesfamilie.
  • Die Eingewöhnungszeit sollte möglichst nicht mit besonderen Ereignissen in der Familie (Umzug, Geburt eines Geschwisterkindes, Trennung der Eltern) zusammen treffen.
  • Eine Eingewöhnung an mindestens drei Wochentagen ist ratsam, auch wenn später weniger Betreuungstage vorgesehen sind.
  • Zwischen der Eingwöhnung und dem Betreungsbeginn sollte keine längere Pause sein (Urlaub). Eventuelle Krankheitstage des Kindes werden vorher zeitlich von den Eltern eingeplant.
  • MONTAGS NIE – an einem Montag sollte nichts Neues gemacht werden z.B. keine erste Trennung.

Wie können Eltern ihr Kind bei der Eingewöhnung unterstützen?

  • Die Mutter kann das Kind vorher altersgemäß auf die neue Situation vorbereiten, z.B. davon erzählen, den Tagesablauf anpassen (falls dies stressfrei möglich ist).
  • Die Mutter zeigt ihre Freude, wenn sie sieht, dass die Beziehung ihres Kindes zur Tagesmutter/Pädagogin immer besser und tiefer wird. Jedes Kind braucht die Gewissheit, dass seine Mutter/Eltern damit einverstanden sind, dass das Kind sich bei der Tagesfamilie oder in der Krippe wohl fühlt.
  • Die Eltern sollten immer zuverlässig sein und pünktlich zurückkommen.

Warum ist die Anwesenheit der Eltern so wichtig?
Alle Kinder bauen in den ersten Monaten ihres Lebens sogenannte „Bindungsbeziehungen“ zu Mutter und Vater auf. Mutter und Vater sind zu „Bindungspersonen“ für das Kind geworden. Ein „gefühlsmäßiges Band“ ist zwischen dem Kind und seiner Bindungsperson gewachsen.

Dadurch sind die Eltern oder eine andere Bindungsperson für das Kind die „sichere Basis“ geworden, von der aus es seine Ausflüge in die Welt der Dinge, Menschen, der Farben und Formen machen kann.

Sehr viele grundlegende Lernprozesse absolviert das Kind in den ersten 18 Lebensmonaten: ein riesiges Lernpensum, dessen Umfang nach wie vor von vielen Eltern unterschätzt wird. Immer wieder muss das Kind zu seinen Bindungspersonen zurück kommen, anhalten, Halt und Sicherheit suchen, Kraft tanken. Die sichere Bindung zu seinen Bezugspersonen ist die Voraussetzung dafür, dass ein Baby oder Kleinkind seine Umwelt erforschen und aufnehmen kann.

Die emotionale Entwicklung des Kleinkindes spielt in diesem Zusammenhang ebenfalls eine sehr wichtige Rolle. Das Kind braucht eine bekannte Bezugsperson um Hilfe, Trost und Anteilnahme zu erfahren, da es seine starken Emotionen sonst nicht regulieren kann und sich allein gelassen fühlt.

In der Eingewöhnungsphase versucht das Kind mit der neuen Situation vertraut zu werden. Trotzdem verliert es schnell sein inneres Gleichgewicht, wenn es mit unerwartete Situationen oder Begegnungen konfrontiert wird. 

Wird z.B. ein Kind im ersten oder zweiten Lebensjahr durch etwas Unerwartetes erschreckt oder irritiert, zeigt dieses Kind sofort sein sogenanntes „Bindungsverhalten“, d.h. es versucht durch Weinen oder Rufen, durch Nachfolgen, Armeaufheben, Anschmiegen oder Anklammern körperliche Nähe zu einer „Bindungsperson“ herzustellen oder aufrecht zu erhalten. Je nachdem, wie stark das Kind beunruhigt war, findet es im engen Kontakt zur Bindungsperson sein inneres Gleichgewicht wieder.

Was geschieht, wenn während der Eingewöhnungszeit kein Elternteil anwesend ist?
Dann läuft das Bindungsverhalten des Kindes ins Leere und kann dann über sehr lange Zeit andauern. Hier liegt die vermutlich wichtigste Ursache für die lang anhaltenden Weinperioden von Kindern am Beginn einer Tagesbetreuung. Nur Bindungspersonen haben dem Kind gegenüber die Fähigkeit, es schnell und sicher beruhigen zu können.

Eine fremde Person, insbesondere eben auch die Krippenpädagogin oder die Tagesmutter, kann das Kind in der ersten Zeit seines Aufenthalts in einer Krippe oder Tagespflegestelle in der Regel nicht beruhigen und muss ihrerseits das verzweifelte Weinen und Wimmern des Kindes aushalten, ohne es beeinflussen zu können. Ein solcher Start ist unbedingt zu vermeiden.

Quellen:
Hans-Joachim Laewen, Beate Andreas, Eva Hedervari
OHNE ELTERN GEHT ES NICHT
Die Eingewöhnung von Kindern in Krippen und Tagespflegestellen

www.monika-thier.de

Bild © Fotomagie

Monika Thier unterstützt als Familientherapeutin Eltern im „Erziehungsalltag“. Oftmals ermöglicht eine Erziehungsberatung einen neuen Blickwinkel zu finden und einen Perspektivenwechsel einzuleiten. Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt bei Eltern mit Kindern bis zum 10. Lebensjahr. Als Dozentin bei der Stadt München hält sie Vorträge, gestaltet Elternabende in Kitas und Krippen und arbeitet in der pädagogischen Weiterbildung für Tagesmütter und Tagesväter. Auch als Paartherapeutin steht sie Eltern und Paaren hilfreich zur Seite.

Für KiMaPa stellt Monika Thier in regelmäßigen Abständen interessante Kinderthemen wie Kinderängste oder Stressregulation vor und versucht damit, Eltern bei der Erziehung manche Unsicherheiten zu nehmen.

Monika Thier

»Im Mittelpunkt meiner Arbeit steht der Mensch in seiner individuellen Ganzheit und in seinen Beziehungen. Ich verstehe jede Lebensäußerung als sinnvoll auf ein Ziel gerichtet und im Zusammenhang mit dem Ganzen.«

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