Das Tiefe Blau der Worte

Jugendbuchvorstellung

Von Christine Schniedermann

Henry und Rachel sind beste Freunde. Oder waren es. Denn Rachel ist mit ihrer Familie in ein kleines, australisches Dorf am Meer gezogen und ihr angeblich bester Freund hatte keine Zeit gefunden, sich von ihr vernünftig zu verabschieden. Der Grund war: Amy. Henry fährt voll auf Amy ab. Sehr zum Leidwesen von Rachel. Denn Rachel hält Amy für oberflächlich. Zudem hat Rachel festgestellt, sich in Henry verliebt zu haben. Bevor Rachel mit ihrer Familie an die Küste zieht schreibt sie das Henry auch. Allerdings legt sie ihren Liebesbrief nicht in den Postkasten, sondern in ein Buch in die Briefbibliothek. Die Briefbibliothek ist ein besonderer Bereich im Buchladen von Henrys Eltern. Die Bücher, die dort einsortiert sind, werden nie verkauft. Sie dienen als eine Art Briefkasten. Die Besucher können in den Büchern Briefe – vor allem an ihre Liebsten – verstecken. Meist wählen sie dafür ein ganz besonderes Buch, das sowohl Schreiber als auch Empfänger miteinander verbindet.

Genau in dieser Briefbibliothek hat Rachel ihren Liebesbrief an Henry hinterlassen. Dann zieht sie fort. Sie erhält Briefe (per Post) und Emails von Henry. Aber darin erwähnt er mit keinem Wort Rachels unglaubliches Geständnis. Rachel beschließt enttäuscht, auf Henrys Kontaktversuche nicht zu reagieren.

Drei Jahre später hat sich vieles verändert. Rachel hat ihre Collegeabschlussprüfungen nicht bestanden. Sie konnte nicht lernen. Vor Trauer. Denn ihr Bruder Cal ist im Meer ertrunken. Sie hasst das Meer und sie glaubt, dass Universum habe Cal über den Tisch gezogen. Denn warum muss ein junger Mensch sterben?

Jedenfalls versinkt Rachel im Nichtstun und ihre Mutter beschließt, dass das nicht so weitergehen kann. Sie schickt Rachel zu ihrer Tante, zurück in den Ort, in dem sie zuvor gelebt haben, zurück zu  Henry und der Buchhandlung.

Rachel beschließt, Henry aus dem Weg zu gehen. Das gelingt ihr aber nicht ganz. Henry versteht Rachels Verhaltensänderungen nicht. Was ist mit ihr passiert? Sie ist doch seine beste Freundin. Oder war sie es?

Rachel hält Henry auf Distanz. Sie mag ihm nicht verzeihen, dass er sich damals nicht von ihr verabschiedet hatte. Sie mag ihm nicht von dem Brief erzählen. Und sie mag nicht über Cals Tod reden.

Doch dann findet Rachel, Notizen von Cal in Büchern in der Buchhandlung. Und Henrys Schwester George, die in der Schule ein Außenseiter ist und die alle nur „Freak“ nennen, hat einen Verehrer, der ihr immer wieder Briefe in die Brief Bibliothek legt. Wer könnte es sein?

Amy macht derweil mit Henry schluss und dieser ist am Boden zerstört.

Können Rachel und Henry wieder Freunde werden? Kann Rachel einen Weg finden, mit dem Tod ihres Bruders klarzukommen? Wird sich George öffnen und andere Menschen (außer Henry und Rachel) in ihrem Leben zulassen?

„Das tiefe Blau der Worte“ ist ein wunderschön geschriebener Jugendroman. Die Themen Freundschaft, Liebe, Verknalltsein, Mobbing und Identitätssuche von Jugendlichen und jungen Erwachsenen spielen die Hauptollen. Die Autorin Cath Crowley erzählt einfühlsam, beschreibt sanft und präzise, was in den Köpfen ihrer Figuren vorgeht. Die Geschichte fließt harmonisch dahin und gleichzeitig möchte man nach jedem Kapitel erfahren, wie es weitergeht. Natürlich haben die Kids auch Smartphones, gehen auf Parties und sehen Video-Streaming-Dienste. Aber die Bücher, der Buchladen und die Briefbibliothek spielen bei Henry, Rachel und George eine unglaublich große Rolle und daher ist diese Geschichte auch ein Liebesbrief an das Lesen und die Bücher, die einem in vielerlei Hinsicht eine Menge im Leben geben können. „Das tiefe Blau der Worte“ ist ein ganz zauberhaftes Buch, das auch Erwachsene sehr gut lesen können, weil Liebe, Identität und Tod große Themen sind. Da die Autorin nicht kitschig-jugendlich schreibt, haben auch Erwachsene Freude an ihren Beschreibungen.

Empfohlen ab 14 Jahren

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Das tiefe Blau der Worte

Carlsen
17,99 Euro
ISBN 978-3551583727
Ab 14 Jahren

Christine Schniedermann

Christine Schniedermann ist Mutter, freie Journalistin und Autorin

www.muensterlandroman.de