Der Sommer, in dem alle durchdrehten (außer mir!)

Jugendbuch-Rezension

Von Christine Schniedermann

Der Titel dieses Jugendbuchs „Der Sommer, in dem alle durchdrehten (außer mir!)“ lässt schon erahnen, dass es ein ungewöhnliches Buch ist. Und das ist es auch. Es ist direkt, schräg, ausgefallen, manchmal verblüffend offen, zuweilen im Wortsinn hemmungslos.

Der 13-jährige Arvid macht Urlaub mit seinem Vater und Waldo, dem Hund. Arvids Mutter hat einen neuen Freund. Und nun gibt es einen Männerurlaub im Wohnwagen.

Im „nördlichstem Plumpsklo Norwegens“ – wie es gleich auf der ersten Seite heißt – entdeckt Arvid ein Gästebuch, in welchem er die Geschehnisse der Sommerferien tagebuchmäßig aufzeichnet. Denn Arvid und sein Vater treffen auf Indiane (12) und ihren Vater Roger. Roger ist homosexuell und schon bald bemerken Arvid und Indiane, wie sich Arvids Vater in Rogers Nähe verändert. Er lacht mehr, er trinkt mehr Wein, er unternimmt viel mit Roger. Für Arvids Begriffe etwas zu viel. Arvid hält es zunächst für unmöglich, dass sich sein Vater für Männer interessieren könnte. Schließlich hält er es für möglich, will aber unter allen Umständen eine Beziehung zu Roger verhindern. Arvid und Indiane machen Pläne, um dieses Ziel zu erreichen.

Parallel bekommt es Arvid mit allerhand pubertären Themen zu tun. Indiane versucht, ihn zu küssen, was Arvid furchtbar findet. Arvids Freund, der bereits mitten in der Pubertät steckt, redet nur noch von Mädchen, Frauen, Aussehen, Küssen. Auch das findet Arvid merkwürdig. Zu allem Überfluss rennt der Familienhund Waldo auch noch jeder Hündin hinterher.

Kurzum: das Thema Sexualität spielt in jeder Hinsicht eine bedeutende Rolle, ob als sexuelle Neigung oder als erste Versuche einer Annäherung. Über Küsse oder harmlose Streicheleinheiten geht es dabei nie hinaus.

Wenig politisch korrekt beäugt Arvid die Tuchfühlung zwischen seinem Vater und Roger. Aus der Perspektive eines 13-jährigen Jungen lässt der Autor so ziemlich alle gängigen Vorurteile raus, was wiederum unglaublich ehrlich und gleichzeitig offen ist. Im Kern geht es eher darum, was sich um und mit Arvid plötzlich alles verändert. Am Ende gibt es eine überraschende Wendung, die mehr Arvid und weniger seinen Vater betrifft. Dass dieser homosexuell ist, verliert für den Sohn an Bedeutung. Und das ist gut so.

Endre Lund Eriksens Buch ist sprachlich deutlich. Aber zwischen den Zeilen ist Arvid empfindsamer als man meinen könnte. Er ist eben auch nur ein Junge, der versucht, mit Veränderungen klarzukommen.

Eriksen geht im Buch der Frage nach, was passiert eigentlich mit einem Teenie, wenn sich der Papa plötzlich für Männer interessiert? Seine Antwort ist eine überdrehte, offenherzige und erfrischende Geschichte, die mit klassischer Panik-Ablehnung beginnt und sich in Annäherung, Verständnis und Offenheit auflöst.

Endre Lund Eriksen wurde in Norwegen mehrfach für seinen ersten Roman „Beste Freunde, kapiert!“ ausgezeichnet.

 

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Der Sommer, in dem alle durchdrehten außer mir
Kosmos
12,99 Euro
ISBN 978-3440149041
Alter: 12 – 15 Jahre

Christine Schniedermann Autorin

Christine Schniedermann ist Mutter, freie Journalistin und Autorin

www.muensterlandroman.de