Bezahlte Bildungszeit für Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen

In Österreich gibt es für Arbeitnehmer schon länger ein Modell, bei dem sich Arbeitnehmer eine Auszeit vom Job nehmen können, um sich fortzubilden. Die Bildungskarenz, wie dieses Modell offiziell heißt, ist bei den Beschäftigten sehr beliebt. Sie stellt für Eltern häufig eine Möglichkeit dar, die bezahlte Elternzeit noch etwas zu verlängern. Was genau ist Bildungskarenz? Gibt es etwas Ähnliches auch in Deutschland?

Lebenslanges Lernen und das mit Bezahlung

Gleich vorweg: Während der Bildungskarenz erhalten die Österreicher nicht ihr Gehalt weiter. Sie erhalten Arbeitslosengeld, das 55 Prozent ihres letzten Gehalts entspricht. Arbeitnehmer haben damit eine Möglichkeit, lebenslang zu lernen und sich mit beruflich relevanten Maßnahmen weiterzubilden oder an einer Fortbildung teilzunehmen. Dafür sind ein paar wesentliche Voraussetzungen zu erfüllen, wie der Anspruch auf Arbeitslosengeld oder eine ausreichende Anzahl an Wochenstunden während der Weiterbildungsmaßnahme. Zusätzlich ist es den Teilnehmern erlaubt, bis zur Geringfügigkeitsgrenze hinzuzuverdienen. Es gibt noch mehr zum Thema Bildungskarenz, beispielsweise wie lange es möglich ist, in Bildungskarenz zu gehen, welche Maßnahmen die Behörden fördern oder wo die Antragsstellung erfolgen kann.

Gibt es ein solches Modell auch für Deutschland?

Derzeit gibt es in Deutschland die Möglichkeit fünf Tage Bildungsurlaub pro Jahr zu nehmen. Doch Arbeitsminister Heil strebt ein ähnliches System wie in Österreich an, bei dem Arbeitnehmer die Möglichkeit für längere Qualifizierungs- oder Weiterbildungsmaßnahmen haben und dafür ein Jahr Geld von der Agentur für Arbeit erhalten. Grundlage dafür soll das Weiterbildungsgesetz sein nach österreichischem Vorbild.

Die Österreicher nehmen diese Weiterbildungsangebote gerne an und nutzen sie auch. Die Vorteile für die Arbeitnehmer liegen in besseren Jobs und einem höheren Einkommen nach Abschluss der Maßnahme. Ein weiteres wichtiges Motiv ist die Sicherung des Jobs durch Qualifizierungsmaßnahmen.

Wer könnte in Deutschland von der Bildungszeit profitieren?

Laut Statistischem Bundesamt haben mehr als sechs Millionen Arbeitnehmer im Jahr 2020 an beruflichen Weiterbildungen teilgenommen. Gleichzeitig ist das Weiterbildungsangebot der Unternehmen stark zurückgegangen. Die Bildungszeit könnte hier das Angebot der Unternehmen sinnvoll ergänzen.

Viele Bundesländer, mit Ausnahme von Bayern und Sachsen, ermöglichen es Arbeitnehmern über die Bildungszeit an verschiedenen Maßnahmen teilzunehmen. Allerdings sind das nur fünf Tage pro Jahr. Für größere Karrieresprünge ist das viel zu wenig Zeit. Wer sich beispielsweise zum Teamleiter weiterbilden möchte oder den Abschluss als Meister anstrebt, muss mehrere Wochen oder viele Monate investieren. Diese Maßnahmen berufsbegleitend zu besuchen ist eine große Belastung für die Betroffenen und erfordert oft größere Opfer. Insbesondere für Eltern würde die Bildungszeit eine Möglichkeit schaffen, sich beruflich weiterzubilden.

Doppelte Freiwilligkeit als Grundlage

Für viele Branchenverbände wäre die Bildungszeit eine gute Möglichkeit, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Auch der Bundesverband Der Mittelstand e.V. begrüßt den Vorstoß zum Ausbau Förderung im Bereich Weiterbildung.

Die Arbeitgeber sehen darin ebenfalls Chancen aber auch Gefahren. Deshalb ist es ihnen wichtig, dass beide Seiten freiwillig mitmachen. Gerade für kleinere Unternehmen ist das wichtig, weil sie häufig nicht in der Lage sind, den Ausfall eines Arbeitnehmers langfristig auszugleichen und qualifizierte Vertretungen sind aufgrund des Fachkräftemangels schwer zu finden.

Von der Elternzeit direkt in die Bildungskarenz

In Österreich kommen viele Menschen, die die Bildungskarenz in Anspruch nehmen, direkt aus der Elternkarenz. Das hängt damit zusammen, dass allerorten Kita-Plätze fehlen, insbesondere im ländlichen Raum. Diese Möglichkeit ist auch für den deutschen Arbeitsmarkt denkbar und könnte für Eltern eine Option sein, länger zu Hause zu bleiben, um Zeit für den Nachwuchs zu haben. Gleichzeitig können sie sich in dieser Zeit weiterbilden und sich fit für einen besseren Job machen.

In Deutschland ist es derzeit möglich, während der Elternzeit an Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen teilzunehmen, beispielsweise an einer Hochschule. Das ist auch während des Bezugs von Elterngeld erlaubt. Dabei darf die Maßnahme nicht mehr als 32 Wochenstunden in Anspruch nehmen.

Die Fortbildungsmöglichkeiten

Eltern, die eine Betreuungsmöglichkeit für ihr Kinder oder ihre Kinder haben, können vor Ort an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen. Die Volkshochschulen aber auch lokale Fortbildungsinstitute oder die IHK bieten hier entsprechende Kurse an, beispielsweise ein Sprachkurs. Das Vor-Ort-Lernen hat gleich mehrere Vorteile:

  • Neue Leute kennenlernen
  • Möglichkeit, Lerngruppen zu bilden
  • Auch außerhalb des Klassenraums sind treffen möglich.

Die Nachteile sind:

  • feste Kurszeiten
  • Anwesenheitspflicht
  • die Fahrten zur Ausbildungsstätte.

Eine andere Möglichkeit bietet das Internet. Immer mehr Kurse und Weiterbildungsangebote werden als Onlinelehrgänge angeboten. Auch hier gibt es zahlreiche Vorteile:

  • freie Zeiteinteilung
  • Teilnahme von überall möglich, wo es einen Internetanschluss gibt
  • Keine Anfahrtskosten

Aber auch hier gibt es ein paar Nachteile:

  • Oft schwierig, die Zeit zum Lernen zu finden
  • Kaum Kontaktmöglichkeiten zu den anderen Teilnehmern

Ist die Bildungskarenz ein mögliches Modell für Deutschland?

Für Hubertus Heil, Bundesarbeitsminister der SPD, ist es durchaus ein nachahmenswertes Modell. So können sich Beschäftigte eine Bildungs-Auszeit nehmen und bekommen weiterhin Geld. Das geplante Bildungsgesetz ist eine Chance für viele Beschäftigte, ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen und ihren Job zu sichern. Angedacht ist auch in Deutschland eine Unterstützung in Höhe des Arbeitslosengeldes.

Das Weiterbildungsgesetz ist auch eine Chance für junge Menschen. Wenn Schulabgänger keinen passenden Ausbildungsplatz in der Nähe ihres Heimatortes finden, kann der Staat die Kosten für die Fahrten zum Arbeitsplatz übernehmen. Bei zu großen Entfernungen ist es auch möglich, Unterkunftskosten oder die Kosten für Familienheimfahrten erstattet zu bekommen.

Alles in allem sind das viele Vorteile für Arbeitnehmer und Auszubildende.

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