Hat mein Kind eine besondere Begabung?

Fragen an die Expertin Andrea Hüther

 

Interview

Von Christine Schniedermann

Erst kürzlich hat der achtjährige Laurent Simons aus Belgien das Abitur abgelegt. Der Junge gilt mit einem Intelligenzquotienten von 145 als höchstbegabt. Seine Fähigkeiten sind sehr selten, aber dennoch gibt es immer wieder hochbegabte oder überdurchschnittlich intelligente Kinder. Manchmal ist es nicht ganz einfach, dies zu bemerken und im Anschluss das Kind auch richtig zu fördern.

Allgemein als überdurchschnittlich intelligent gilt jemand, der einen IQ von 115 oder mehr aufweist. Eine Hochbegabung liegt ab einem IQ von 130 vor.

Interview mit der Psychologin Andrea Hüther. Mit ihrer Münchner Praxis „Pfifff“ hat sie sich u.a. auf die Begleitung und Beratung überdurchschnittlich intelligenter Kinder und Eltern spezialisiert. (www.pfifff.de)

Frage: Was könnten Anzeichen oder Hinweise sein, dass mein Kind eine besondere Begabung hat oder überdurchschnittlich intelligent ist?
Antwort Andrea Hüther: Wenn ein Kind sehr wissbegierig und interessiert ist und sich im Detail mit komplexen Themen (z.B. mit Technik, Natur, philosophische Fragen) beschäftigt, dann sollten sich Eltern fragen, ob Ihr Kind überdurchschnittlich begabt oder sogar hochbegabt ist. Ein weiteres Anzeichen kann die frühe Beschäftigung mit nicht-altersgerechten Themen, wie beispielsweise Tod, Krieg, Zeitungsmeldungen oder dem Sinn des Lebens sein. Auch eine sehr gute Sprachentwicklung und die Fähigkeit Zusammenhänge schnell und akkurat herzustellen und zu verbalisieren, sind weitere Hinweise. Im nichtsprachlichen Bereich fallen oft die Fähigkeiten bei Strategiespielen, bei Logikrätseln und beim Rechnen auf. Das Kind kann oft schon Spiele spielen, die weit über die alterstypischen Spiele hinausgehen. Auch im konstruktiven Bereich sind diese Kinder oft fit. Lego für die 2-5 Jahre alten Kinder kann oft nach der Anleitung in Eigenregie zusammengebaut werden. Natürlich gibt es auch viele hochbegabte Kinder, die vor der Einschulung bereits selbstständig lesen und schreiben gelernt haben. Dies ist aber keine Voraussetzung, nur etwa die Hälfte aller hochbegabten Kinder können vor der Einschulung bereits lesen.

Frage: Wenn bei einem Experten wie Ihnen dann eine überdurchschnittliche Intelligenz oder Hochbegabung durch einen Text festgestellt wird, wie sollten Eltern dann damit umgehen und worauf sollten sie achten?
Hüther: Es ist wichtig sich klar zu machen, dass sich durch die Testung das Kind nicht verändert. Es wird nur klarer, wo das Kind steht und ob es besondere Bedürfnisse hat. Wichtig ist es, über eventuelle Besonderheiten Bescheid zu wissen. Das Kind könnte, wenn es sehr begabt ist, beispielsweise in der Schule, zumindest in Teilbereichen, unterfordert sein. Dann ist es sinnvoll, das Gespräch mit Lehrkräften zu suchen, damit im Unterricht auf die Begabung eingegangen wird oder auch außerschulische Fördermöglichkeiten zu finden.
Wichtig ist es, Lehrkräfte und Erzieherinnen nicht mit Forderungen regelrecht zu überfallen, hier ist viel Fingerspitzengefühl nötig.
Viele hochbegabte Kinder sind auch sehr zufrieden in der Schule und zu Hause. Es ist ein Mythos, das Hochbegabung immer zu Problemen führt.

Frage: Manchmal sind diese Kinder auch aggressiv, schreiben schlechte Noten – liegt das an einer Unterforderung?
Hüther: Manchmal werden Kinder, die massiv unterfordert sind, vom Verhalten her auffällig. Aber man muss zwischen Auffälligkeiten, die aus anderen Gründen bestehen, und dieser Situation unterscheiden. Wenn es um Unterforderung alleine geht, dann werden die Probleme bei einer individuellen Förderung oder dem Überspringen einer Schulklasse sehr schnell verschwinden. In den anderen Fällen liegen meistens auch noch andere Ursachen zu Grunde, z.B. Probleme mit der Konzentration oder familiäre Schwierigkeiten.

Frage: Welche Fördermöglichkeiten gibt es?
Hüther: Man unterscheidet zwischen schulischer Förderung und außerschulischen Angeboten.
In der Schule können die Lehrkräfte dem hochbegabten Kind Extraaufgaben anbieten, eventuell auch in einer Kleingruppe, die aus den leistungsstarken Schülern besteht. Leichte Aufgaben sollten durch andere, schwerere Aufgaben ersetzt werden.
Wenn dies nicht ausreicht, kann auch das Überspringen einer Klasse in Betracht gezogen werden. Oder das Kind besucht in einem einzelnen Fach punktuell den Unterricht der höheren Klasse. Außerdem gibt es an manchen Schulen ab der fünften Stufe Hochbegabtenklassen. Auch spezielle Privatschulen für Hochbegabte, meistens Internate, sind zu finden.
Außerschulische Förderung kann anhand von Kursangeboten statt finden. Dazu gibt es auch Begabtenfördervereine mit umfassendem Angebot und Gruppen, in denen diese Kinder unter sich sind.
Natürlich kann eine Förderung auch zuhause erfolgen. Die meisten Eltern bieten den Kindern auch ohne spezielle Anleitung bereits ein passendes und anregendes Umfeld an.

Diplompsychologin LMU
Andrea Hüther
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Christine Schniedermann

Christine Schniedermann ist Mutter, freie Journalistin und Autorin

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