Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall

Grundlagen der Gewaltfreien Kommunikation

Fotolia Kinder im Laub

Ein Beitrag von Monika Thier

Aufbauend auf den Erkenntnissen der humanistischen Psychologie Carl Rogers entwickelte Dr. Marshall Rosenberg in den 70er Jahren das Modell der Gewaltfreien Kommunikation. Es wird in vielen Ländern erfolgreich eingesetzt, um in Konflikten zu vermitteln und die Bereitschaft zur Kooperation zu fördern.

Gewaltfreie Kommunikation ist zweierlei: sie ist ein Sprachkonzept, das zur erfolgreichen Konfliktbewältigung eingesetzt wird und es ist ein Lebensmodell, in dessen Mittelpunkt die einfühlsame Verbindung zu sich selbst und zu anderen steht.

Gewaltfreie Kommunikation ist keine Technik, sondern eine Haltung und eine Lebenseinstellung!

Zwei der zentralen Fragen der Gewaltfreien Kommunikation sind: „Was ist lebendig in mir? Und was würde mein Leben bereichern – hier und jetzt?“

Ausdruck unserer inneren Lebendigkeit sind unsere Gefühle, die wiederum  auf unsere Bedürfnisse hinweisen. Und diese, so die Grundannahme von Marshall Rosenberg, sind der wesentliche Inhalt unserer menschlichen Kommunikation. Deswegen bezeichnet Marshall Rosenberg Gewalt auch als einen „tragischen Ausdruck unerfüllter Bedürfnisse“.

Worum geht es dabei?

Jeder kennt Situationen, in denen Menschen etwas tun, was uns nicht gefällt. Dann möchten wir, dass sie sich ändern. Dabei greifen wir häufig auf folgende Verhaltensweisen zurück: Bewertung, Urteile, Kritik, Ermahnung, Forderungen, Beschämung, Beschuldigung, Bestrafung.

Dabei richten wir die Aufmerksamkeit darauf, was der andere falsch gemacht bzw. was „verkehrt“ an ihm ist. Der Ausgangspunkt all dieser Verhaltensweisen ist eine negative Bewertung des Verhaltens der anderen Person. Die Reaktion darauf ist meist Widerstand und Abwehr.

In der Gewaltfreien Kommunikation richten wir unsere Aufmerksamkeit dagegen darauf, was uns wichtig ist und vermeiden in der Kommunikation alles, was beim Gegenüber als Bewertung, Beschuldigung, Kritik oder Angriff ankommen könnte – daher die Bezeichnung „gewaltfreie Kommunikation“.

Susann Pasztor erklärt in ihrem Buch – „Ich höre was, was du nicht sagst – Gewaltfreie Kommunikation in Beziehungen“ – das Modell der Gewaltfreie Kommunikation (S 17 ff.)

Das Grundmodell der Gewaltfreie Kommunikation besteht aus vier Komponenten bzw. Schritten, die nacheinander ausgeführt werden:

1. Beobachtungen
Als erstes beobachten wir, was in einer bestimmten Situation tatsächlich geschieht: Was hören wir den anderen sagen, was sehen wir, dass er tut? Das Entscheidende hierbei ist diese Beobachtung von jedweder Form der Bewertung zu trennen. Der Satz „In der Küche steht das benutze Geschirr von gestern Abend“ ist eine Beobachtung, während in „Die Küche ist das reinste Chaos“ schon eine Bewertung enthalten ist.

2. Gefühle
Im zweiten Schritt drücken wir unsere Gefühle aus, die durch das was wir beobachtet haben, in uns ausgelöst wurden. Wir können uns fröhlich, begeistert, hingerissen und überglücklich fühlen – aber auch frustriert, besorgt, traurig und ängstlich.

3. Bedürfnisse
Hinter jedem Gefühl steht ein Bedürfnis – eines, das erfüllt oder eines, das nicht erfüllt wurde. Sind wir uns unserer Gefühle bewußt, führen sie uns auf direktem Wege zu unseren Bedürfnissen. Sie dienen dem körperlichen, sozialen und emotionalen Überleben und gelten von daher für alle Menschen. Sind sie jedoch an bestimmte Vorgehensweisen oder Personen gebunden, handelt es sich nicht um Bedürfnisse, sondern um Wünsche. Das Ausdrücken des jeweiligen Bedürfnisses ist der dritte Schritt der Gewaltfreien Kommunikation.

4. Bitten
Der vierte Schritt ist die Formulierung einer Bitte. Was kann der andere tun, um unser Bedürfnis zu erfüllen und unsere gemeinsame Lebensqualität zu verbessern? Wichtig ist, um eine konkrete Handlung zu bitten und sie mit den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen in Verbindung zu bringen.

Die vier Schritte der Gewaltfreie Kommunikation anzuwenden, heißt in der eigenen Kommunikation alle vier Elemente klar auszudrücken – mit Worten und manchmal ohne Worte. Gleichzeitig gehört dazu, diese vier Aspekte beim Gegenüber aufzunehmen, indem man/frau sich durch empathisches Zuhören darauf einstimmt, was der andere beobachtet, fühlt und braucht – und was seine Lebensqualität  verbessern würde. So kann wechselseitiger, lebendiger und beweglicher Kommunikationsfluß entstehen.

Die Schleife der Verständigung in der Gewaltfreien Kommunikation

Ausdrücken was mich bewegt und was ich möchte (Selbstbehauptung) – und empathisches Zuhören, wie es der anderen Person geht und was sie möchte (Einfühlung). Diese beiden Prozesse bilden das wesentliche Merkmal der Gewaltfreie Kommunikation.

Dabei geht es weder darum, die eigenen Bedürfnisse hinten an zu stellen, noch die Bedürfnisse anderer Menschen zu unterdrücken. Marshall Rosenberg hat das einmal so ausgedrückt: „Das Ziel dieses Prozesses ist der Ort, an dem alle Bedürfnisse erfüllt sind.“

Was ist Empathie:
Empathie oder Einfühlung ist die wertfreie, mitfühlende und teilnehmende Beobachtung der Gefühle eines anderen Menschen. Empathie unterscheidet sich von Mitleid dadurch, dass keine persönliche Betroffenheit dazu gehört. Wenn wir erkennen, dass es um die Gefühle des anderen geht und nicht um unsere eigenen Gefühle und unsere eigene Betroffenheit nicht im Vordergrund steht, dann wird echte Einfühlung überhaupt erst möglich. Es geht beim einfühlsamen Zuhören nicht darum, ein Problem zu lösen, sondern um einen Prozess der Begegnung mit dem, was im Anderen lebendig ist. Selbst wenn für uns eine Lösung klar zu erkennen ist, ist es sinnvoller mit Fragen nach Gefühlen, Bedürfnissen und Bitten auf den „Partner“ einzugehen.

Natürlich ist es gerade in einer Beziehung nicht einfach empathisch aufzunehmen was mein Gegenüber gerade braucht und von mir möchte.

Oftmals fehlt die erforderliche emotionale Distanz. Einen geliebten Menschen leiden zu sehen, ohne etwas „dagegen tun zu können“, sondern einfach nur present zu sein, ist für viele von uns ein ganz neuer und unbekannter Weg.

Empathie heißt in diesem Moment in der Kommunikation und des Austauschs einfach da zu sein. Das kann mit und ohne Worte geschehen. Es reicht manchmal aus, wenn wir durch unsere Haltung und unsere Körpersprache dem Anderen signalisieren: Ich bin bei Dir.

Für Liebes- und Ehepartner bedeutet dies, alles zu vergessen, was wir über die Gefühle des Partners zu wissen glauben. Wenn wir unseren Partner ganz neu sehen können, dann können wir vermutlich ganz neue Facetten und Gefühle an ihm kennenlernen.

Mit unseren Kindern kann es einfacher sein. Einen Schritt zurücktreten. Nicht in die Aktion-Reaktionsebene einsteigen. Einfach genau hinhören und hinsehen, welche Bedürfnisse unser Kind uns in diesem Augenblick zeigt und wie wir ädaquat reagieren können.

Die drei Bedingungen für Empathie sind Absicht, Präsenz und Ausrichtung. Diese drei Voraussetzungen sind in uns. Es gibt aber auch Situationen, in denen wir nachfragen wollen und müssen, weil eine weitere Klärung notwendig ist.

Empathisches Nachfragen kann zum raten verleiten. Das kann leicht daneben gehen. Unser Partner/Gegenüber wird uns dann vermutlich mitteilen, um was es bei ihm geht. Wichtig ist allerdings, keine Mutmaßungen aufzustellen, sondern wirkliche Fragen zu stellen. Auch Warum-Fragen sind immer schwierig und sollten vermieden werden. Ein Warum entlockt dem Anderen Geschichten und Begründungen jedoch keine Gefühle und Bedürfnisse. Sind wir irgendwann ganz ohne Ausweg, so können wir fragen: „Jetzt bin ich ganz verunsichert. Kannst du mir bitte sagen, was deine Gefühle und Bedürfnisse sind?

Die Grenzen der Empathie:
Susanne Pasztor schriebt in ihrem Buch über die Grenzen der Empathie folgendes: (S.62 ff.)

„ Es gibt Situationen, in denen es nicht möglich ist, einem anderen Einfühlung zu geben: zum Beispiel, wenn Sie feststellen, dass Sie emotional zu sehr involviert sind, um sich ganz auf den Partner einlassen zu können. Sind Sie selber ärgerlich oder verletzt, ist das ein guter Zeitpunkt für eine Selbsteinfühlung – so können Sie erst einmal herausfinden, welche Gefühle und Bedürfnisse sich hinter Ihrem eignen Ärger oder Ihrer Verletztheit verbergen. Selbsteinfühlung hat nichts mit Selbstmitleid zu tun: Wer sich bedauert, bewertet seine Situation und übernimmt die Rolle des Opfers. Selbsteinfühlung heißt, im inneren Dialog verschiedene Gefühle „durchzuspielen“ und darauf zu achten, wo eine Resonanz entsteht: Fühle ich mich traurig, frustriert, einsam oder hilflos? Steckt dahinter ein unerfülltes Bedürfnis nach Anerkennung, Liebe, Frieden oder Autonomie?“

„Für den Kontakt mit dem Partner heißt das: Wenn Sie – aus welchem Grund auch immer – im Augenblick keine Empathie geben können, dann schenken Sie dem Anderen Ihre Aufrichtigkeit. Sie ist in dieser Situation weitaus wertvoller als jeder Versuch, es doch noch „hinzukriegen“.

Susann Pasztor – Ich höre was, das du nicht sagst – Junfermann, 2004
Marshall B. Rosenberg – Gewaltfreie Kommunikation – Junfermann

www.monika-thier.de

Monika Thier unterstützt als Familientherapeutin Eltern im „Erziehungsalltag“. Oftmals ermöglicht eine Erziehungsberatung einen neuen Blickwinkel zu finden und einen Perspektivenwechsel einzuleiten. Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt bei Eltern mit Kindern bis zum 10. Lebensjahr. Als Dozentin bei der Stadt München hält sie Vorträge, gestaltet Elternabende in Kitas und Krippen und arbeitet in der pädagogischen Weiterbildung für Tagesmütter und Tagesväter. Auch als Paartherapeutin steht sie Eltern und Paaren hilfreich zur Seite.

Für KiMaPa stellt Monika Thier in regelmäßigen Abständen interessante Kinderthemen wie Kinderängste oder Stressregulation vor und versucht damit, Eltern bei der Erziehung manche Unsicherheiten zu nehmen.

Monika-thier

»Im Mittelpunkt meiner Arbeit steht der Mensch in seiner individuellen Ganzheit und in seinen Beziehungen. Ich verstehe jede Lebensäußerung als sinnvoll auf ein Ziel gerichtet und im Zusammenhang mit dem Ganzen.«

Praxisadresse

Monika Thier
Heilpraktikerin für Psychotherapie
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Tel.: 089 45139695
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